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Fotografie und Eisenbahn - die Anfänge

Die Erfindung der Fotografie fällt zeitlich mit der Entwicklung des Eisenbahnverkehrs zusammen und es ist mit Blick
auf die Triebkräfte zur Erfindung der Fotografie vielleicht eine bezeichnende Tatsache, dass Talbot die Idee zur Herstellung
von Kalotypien während einer Italienreise hatte. Während dieser Reise mühte er sich, mit Hilfe der "camera obscura"
schnelle Zeichnungen zu erstellen. Dies jedoch mehr oder minder vergeblich, da ihm die Differenz zwischen Anschauung
und Aufzeichnung stets zu groß ausfiel.

Fasst man die Aussagen von W. Schivelbusch zur Geschichte der Eisenbahnreise zusammen, lässt sich feststellen:
so wie die Eisenbahn die Newtonsche Mechanik im Verkehrswesen realisierte, schaffte sie die Bedingungen dafür,
dass sich die Wahrnehmung der in ihr Reisenden mechanisierte.
Die Eisenbahn war das materielle Substrat der neuen,
veränderten Raum- und Zeitwahrnehmung im Reisen.

Das Medium Fotografie wiederum verdinglicht, als bildnerisches Äquivalent dieser Entwicklung, wie die Wahrnehmung
in der Gesellschaft dieser Zeit strukturiert zu sein schien. Die Fotografie ist Agent und, wie die Eisenbahn,
gleichfalls Produzent eines neuen Sehens.

Das fotografische Abbild ist das Produkt der beginnenden Industrialisierung von Raum und Zeit, in der die Produktion
von Geschwindigkeit die tradierten Wahrnehmungsstrukturen, die Raum- Zeitkontinuen in denen sich die Menschen bewegten,
die Grundlagen aller Erfahrung, enorme Umwälzungen erfährt.

Mit der Möglichkeit, die als flüchtig erfahrene Wirklichkeit festzuhalten, bot die Fotografie:eine Methode zum Einfangen
einer als widerspenstig und unzugänglich empfundenen Realität, ein Mittel zur Vergrößerung einer Realität, die als
geschrumpft, ausgehöhlt, vergängliche, weit weg wirkte.

Denn, sagt Susan Sontag,:"Realität kann man nicht besitzen, aber Bilder kann man besitzen."

Wenn J. Crawford 1864 feststellte: "Diese Zeiten werden zum Glück nicht wiederkehren, da die Ungebildeten,
die nie gereist waren, glaubten, dass die Straßen Londons mit Gold gepflastert seien und dass ein König ein märchenhaftes
Wesen sei, das aus der Ferne verehrt aber niemals gekannt werden dürfte
." -
so lässt sich die enge Verbindung von Fotografie
und Geschwindigkeit und "das Glück dabei gewesen zu sein" nicht besser umschreiben.
Die Verkehrsmittel hatten die eine Illusion, die Fotografie die andere zerstört.

Garantierten die neuen maschinellen Techniken einen beständigen Umschlag der Waren und die absolute Beweglichkeit der
Menschen, so deuteten die neuen kommunikativen Techniken und das Medium Fotografie bereits eine unendliche Steigerung
der Informationsgeschwindigkeit und mit der Fotografie die scheinbar verbürgte Echtheit und Wahrheit der Information an.


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