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Körperbilder 8   > Nackt ./.  Akt <

Nacktsein bedeutet, man selbst zu sein.
Als Akt wird man von anderen nackt gesehen und doch nicht als man selbst erkannt.
Nacktheit enthüllt sich selbst; ein Akt wird zur Schau gestellt oder stellt zur Schau.

Darin iegt der wesentliche Unterschied:
eine Aktdarstellung ist immer auf einen imaginierten Betrachter hin ausgerichtet,
während in der Betrachtung von Nacktheit der Betrachter ausgeschlossen ist.
Dieser kann Zeuge eines körperlichen Ausdrucks sein - mehr aber auch nicht.
Er kann sich nicht vormachen, dass die Frau für ihn nackt ist; er kann sie nicht in
einen Akt verwanden. Die dargestellte Person nimmt keine Pose ein, die als
" idealen" Betrachter (fast immer) einen Mann voraussetzt.

Nacktheit ist Ausdruck der eigenen Gefühle und besitzt einen in sich selbst
begründeten visuellen Wert. Erst wenn der nackte Körper als Objekt gesehen werden
kann, wird er zum Akt. Die Pose ist nicht wie die Gebärde ein körpersprachlicher
Selbstausdruck, sondern ein körpersprachlicher Fremdausdruck.

Nacktheit bedeutet einfach, ohne Kleidung zu sein, wohingegen in der Aktdarstellung
der weibliche Körper reduziert wird zum Objekt der Begierde. Durch das anonyme
Betrachten wird der Körper zum öffentlichen Besitz und beliebig verfügbar. Der Dialog
zwischen Betrachter und Modell verläuft einseitig, letzteres bleibt Objekt.

Pin-up-Fotos und pornographische Darstellungen offenbaren die Ausrichtung auf den
männlichen Betrachter noch am deutlichsten. Die Fragmentierung des Körpers , im
Extrem seine Reduzierung auf die Geschlechtsorgane in pornographischen
Darstellungen, unterstützt den Objektcharakter zusätzlich.

Ausdrucksvolle Darstellungen von Nackten sind in der Fotografie so selten wie in der
Malerei.. Nacktheit zu malen oder ein statisches Bild von Nacktheit mittels einer
Fotografie zu schaffen scheint nicht ganz einfach. Die Ausrichtung auf einen
imaginären Betrachter, also das was die Darstellung von Nacktheit zum Akt macht,
zieht sich fast durch die gesamte Geschichte der europäischen Malerei und der
Fotografie, mit nur wenigen Ausnahmen.



Fotografischen Darstellungen wohnt dabei noch ein ganz besonderer Reiz inne.
Die Illusion der Realität einer Fotografie steigert das Vergnügen nur zu schauen und
gleichzeit körperliche Distanz waren zu können. Der Kitzel der nackten Wahrheit
entsteht durch die spezifischen Abbildungseigenschaften des Mediums, da sich der
Körper tatsächlich so, wie er zu sehen ist, zum Zeitpunkt der Aufnahme vor der
Kamera befunden haben muss. Scheinbar zumindest, denn im hinterhältigen
Wechselspiel von Schein und Sein, besonders seit der Digitalisierung und den
Möglichkeiten der Bildbearbeitung, muss die Frage nach Wirklichkeit und Wahrheit
mit jedem Bild neu gestellt werden.

Es ist ein schmaler Grad, der die Darstellung von Nacktheit und einem Akt trennt und
der Körperbilder von Aktfotos unterscheidet, mit teilweise unscharfen Konturen.

Mein bisheriges Interesse in anderen Serien zum Thema Körperbilder galt dem
verletzten, nicht-makellosen, alten und unperfekten Körper.
Auf der Glasplatte liegend waren so gut wie keine Posen möglich. So individuell
unterschiedlich meine Modelle waren, so unterschiedlich fiel auch der körperliche
Selbstausdruck, also die Gesten und Gebärden, aus.
Im Bild wurde die Situation vor der Kamera festgehalten.

Anders jedoch in der nachfolgender Serie. Die im Bild festgehaltenen Situationen sind
keine vor der Kamera, sondern mit und für die Kamera inszenierte, abseits
traditioneller Darstellungskonventionen und Signale

Die Frau nimmt keine Pose ein für einen imaginären Beobachter. Ihre Körperhaltung ist
Teil des Reagierens auf die Anwesenheit der Kamera. Es wäre falsch von
Selbstinszenierung zu sprechen. Der Körper wird hier als Material und
Gestaltungsmittel genutzt, Kamera und Fotograf werden eher zum Medium der
Abbildung selbstentworfener Körperbilder.


Copyright © Text und Fotos 2010/2015 Erhard Scherpf